Freitag, 27. April 2007

Der stille Genießer

Es ist kurz vor Weihnachten. „Jetzt wird dann gleich mein Gast, der Anton, kommen", denkt die Tilli in ihrem Café. Anton kommt seit einem Vierteljahr fast jeden Tag in das Café. Er genießt hier die Anonymität, denn er geht gerne etwas auf Distanz zu den Menschen. Anton trinkt meistens etwas alkoholfreies. Nur ab und zu trinkt er ein Glas Wein. Selten kommt es vor, dass er etwas zu viel von dem guten Frankenwein trinkt. Seit einer Woche sitzt Anton am Stammtisch.

Heute setzt sich Anton wieder an den Stammtisch, weil er denkt, dass Tilli dies von ihm erwartet. Er würde lieber an einem der hinteren Tische sitzen. Er hat für Tilli ein Weihnachtsgeschenk gekauft. Sie ist sehr feinfühlig und sie kann Anton gut leiden. Sie findet, er passt gut in ihr stilles Café. Eigentlich möchte sie nicht, dass Anton ihr etwas schenkt, weil sie weiß, dass er nicht viel Geld hat. Er sagt zu Tilli: „Ich bin ein stiller Genießer. Ich trinke gerne in deiner netten Gesellschaft ein gutes Glas Wein." Anton wollte schon gerne das Weihnachtsfest in netter Gesellschaft verbringen. Aber jetzt ist aus dem anonymen Gast, der er war, ein Vertrauter geworden. Jetzt wird ihm, der es gewohnt ist, auf Distanz zu gehen, die Vertrautheit unbehaglich und er findet seitdem nie mehr den Weg in Tillis Café.